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Stellungnahme des Koordinierungskreises des Aktionsbündnis Sozialproteste



Soziale Proteste in französischen Vorstädten

Grundsätzliches Umdenken der Verantwortlichen notwendig, nicht ein Mehr vom Selben

Der Tod zweier Jugendlicher in einer Pariser Vorstadt wäre kaum eine Schlagzeile wert. Der Hilfeschrei der entrechteten Menschen in den Pariser Vorstädten in Form von wochenlangen Krawallen liefert Material für Medienberichte seit Anbeginn der Unruhen. Aber der Tod der beiden Jugendlichen, verursacht durch einen möglicherweise überzogenen Polizeieinsatz als Antwort auf Kleinkriminalität, ist nur der Anlass für die Krawalle. Der Grund liegt in der entwürdigenden, ausgegrenzten Situation der Jugendlichen, besonders der Migranten: Als Vorstädter keine Chance auf einen Arbeitsplatz trotz Berufsausbildung. Immer weniger finanzielle Mittel in den kommunalen Kassen und teilweise rassistisch motivierte Aktionen der Polizei. Die nun durch Verantwortliche in verschiedenen europäischen Staaten propagierte zunehmende wachsende Bewaffnung des gesellschaftlichen Prozesses wäre also ein Mehr vom Selben. Hart durchgreifende Staatsgewalt wird zwar einen zeitweisen Rückzug der Akteure in Selbstzerstörung, Drogen und Ähnliches bedeuten. Dies aber nur bis zum nächsten offen sichtbaren Ausbruch.

In Deutschland zerbricht die SPD an ihren internen Widersprüchen, und das Auftauchen einer neuen Partei, die es aus dem Stand auf fast 9 Prozent gebracht hat, hat das Parteiengefüge gründlich durcheinander gewirbelt.
Es handelt sich bei beidem, den parlamentarischen Verwirbelungen in Deutschland und den Unruhen um zwei sehr unterschiedliche Erscheinungen mit ähnlicher Ursache.
Die verbale Reaktion des französischen Innenministers Sarkozy erinnert mit ihrem Rückgriff auf die Lingua Tertii Imperii (Sprache des Dritten Reiches) an die jüngsten Entgleisungen des Ex-Bundesministers Clement, der Arbeitslose als Parasiten bezeichnete. Zitiert wird Sarkozy in einer DPA-Meldung vom 3. November 05: "Wir sind dafür da, dieses Krebsgeschwür (urbaner Gewalt) auszumerzen, wir werden uns dieses Gesindels entledigen." Offenbar in beiden Fällen Projektion, die nur aus dem Hass auf die Opfer der eigenen fehlgeschlagenen Politik erklärt werden kann und die Unfähigkeit, das eigene politische Versagen einzugestehen, in beiden Fällen dokumentiert. Dies ist jedoch Öl ins Feuer des sozialen Krieges.

Die Mär von dem notwendigen Wirtschaftswachstum um jeden Preis, in letzter Zeit immer wieder in das Mäntelchen des Neoliberalismus und der Globalisierung gekleidet, verliert an Glaubwürdigkeit.
Durch die zunehmende Arbeitslosigkeit, immer weiter ausgeplünderte kommunale Kassen und immer weiter gesenkte von den vermögenden Menschen in unserer Gesellschaft - egal in welchem europäischen Land - kassierten Steuern ergeben sich die aktuellen Zuspitzungen und Krisen. Auf die Gefahr der Verteilungsungerechtigkeit im Resultat haben erst am 6. November in einer Anzeige in der Bild am Sonntag einige Vermögende und namhafte Menschen, unter ihnen Günter Grass, in Deutschland hingewiesen, die nicht mehr wortlos dem finanzpolitischen Unwesen zuschauen wollen.
Ein Sprecher des Aktionsbündnis Sozialproteste nimmt Stellung: "Es ist an der Zeit, endlich die wahnsinnigen Verarmungsprogramme zu stoppen, die als Lissabon-Strategie im März 2000 für ganz Europa durch die nationalen Regierungen beschlossen worden waren. Es geht im Gegenteil um die historische Aufgabe, europäische Sozialstandards von Mindestlöhnen und einer menschengerechten Grundsicherung einzuführen." Notwendig sei dafür keine Erhöhung der Produktivität oder der Wertschöpfung. Notwendig sei eine andere Verteilung, als Primärverteilung in Form von Lohn und als Sekundärverteilung: durch Steuern, erhoben auch und besonders von den Reichsten der Gesellschaft, durch angemessene Spitzensteuersätze, Vermögenssteuern und vielleicht auch eine Reichensteuer. Darauf könnten erst menschenwürdige Unterstützungsleistungen für alle Menschen der europäischen Gesellschaften fußen.
Arbeitszeitverkürzung kann die Grundlage für eine Entspannung auf dem Arbeitsmarkt darstellen. Sie bedeute mehr Freizeit für die derzeit Berufstätigen, und für die derzeit Erwerbslosen gesellschaftlich sinnvolle Arbeit, fernab von künstlich geschaffenen Beschäftigungsprogrammen wie "Arbeitsgelegenheiten Mehraufwandsvariante" (1-Euro-Jobs) und damit gekoppeltem gesellschaftlichen Lohndumping.



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