Artikel in der Berliner Zeitung vom 1. August 2005

Arbeitsloser darf Ein-Euro-Job ablehnen
Sozialgericht: Jobcenter handelte "klar rechtswidrig"

Marlies Emmerich

Ein 24-Jähriger kann nach einem Eilentscheid des Sozialgerichts nicht gezwungen werden, einen Ein-Euro-Job anzunehmen. Der Erwerbslose muss wegen seiner Ablehnung des Jobs auch nicht mit der üblichen Kürzung des Arbeitslosengeldes rechnen. Vielmehr, so das Gericht, habe der Mann einen "klar rechtswidrigen Zustand" von sich aus beendet. Laut Gerichtssprecher Michael Kanert ist das Urteil eine "absolute Ausnahme". Noch nie zuvor habe das Gericht bei Auseinandersetzungen um Ein-Euro-Jobs eine Eilentscheidung gefällt. Dies sei normalerweise nicht üblich.

Der Mann war vom Jobcenter Friedrichshain-Kreuzberg in die nicht genauer beschriebene Maßnahme "Integration für Jugendliche ohne Beruf mit Förderbedarf" vermittelt worden. Der Arbeitslose hatte zuvor erfolgreich die Berufsfachschule für Wirtschaftsassistenten absolviert und später die Fachhochschulreife nachgeholt. Eine Prüfung zum Studiengang "freie bildende Kunst" hat der Erwerbslose ebenfalls bestanden. Das Gericht stellt fest: "Der Antragsteller macht geltend, er gehöre weder zum Personenkreis besonders förderungsbedürftiger Jugendlicher, noch erfülle die Arbeitsgelegenheit den vorgeschriebenen Zweck. Die zugewiesenen Aufgaben beschränken sich auf Hilfstätigkeiten bei der Reinigung und im Bürobereich." Es sei aber zwingend erforderlich, dass das Jobcenter "eindeutig und verbindlich" Arbeitsinhalte, genaue wöchentliche Arbeitszeit und Arbeitszeitverteilung festlege. Nur mittels einer solchen, vorherigen Prüfung könne beurteilt werden, ob die Arbeitsgelegenheit wirklich eine zusätzliche, gemeinnützige und arbeitsmarktpolitisch sinnvolle Tätigkeit sei.

Das rasche Urteil - es wurde innerhalb von drei Wochen gefällt - begründet das Sozialgericht damit, dass es dem Mann nicht zugemutet werden könne, Sanktionen wie die Kürzung des Arbeitslosengeldes II "auch nur kurzfristig hinzunehmen." Da der Erwerbslose kein Vermögen habe, würde die 30-prozentige Kürzung ihn in einem "weit über den Normalfall hinausgehenden Ausmaß" treffen. Das Gericht wirft dem Jobcenter "eine so gravierende Verletzung maßgeblicher Standards" vor, die dazu berechtige, die Maßnahme abzubrechen.



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