Email von Bernhard Jirku an einen bundesweiten gewerkschaftlichen Organisationsverteiler

Betreff: Bundestags-Petition zur Arbeitslosenstatistik leitet in die Irre

An: Zuständige in den Landesbezirken und Bezirken

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

auch bei den Arbeitslosenzahlen ist der Umgang mit Statistiken in der Tat oft eine problematische Sache. Ärgerlich ist es, wenn bei Veröffentlichungen z.B. Personen, die Erwerbsarbeit suchen, herausgerechnet werden, weil sie sich vorrübergehend in einer Maßnahme befinden. Und wenn durch diesen Effekt die Arbeitslosenzahlen und die Zahl der Arbeitssuchenden im Ergebnis als niedriger dargestellt werden, als es tatsächlich der Fall ist.

Mit der Petition, die unter http://itc.napier.ac.uk/e-Petition/bundestag/view_petition.asp?PetitionID=455 im Internet einsehbar ist (siehe auch unten), wird der Eindruck erweckt, dass sich mit der Verlagerung der Zuständigkeit für die Veröffentlichung der Arbeitslosenzahlen von der Bundesagentur für Arbeit zum Statistischen Bundesamt an der Wahrhaftigkeit der publizierten Arbeitslosenstatistiken automatisch etwas verändern würde. Und dass dies eine Veränderung sein würde, die das Ausmaß der Misere am Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik klarer erkennen lassen würde.

Die Vorstellung, für die Erwerbslosen würde es besser werden, wenn die Veröffentlichung der Arbeitslosenzahlen statt von der Bundesagentur zukünftig durch das Bundesamt vorgenommen würde, ist eine Fata Morgana. In der Substanz ist es egal, ob die Agentur oder das Amt die Zahlen veröffentlicht. Entscheidend ist vielmehr was anderes:
1.) welche Zahlen überhaupt auf welche Weise mit welcher Genauigkeit ermittelt werden und
2.) welche Zahlen bei welcher Gelegenheit (z.B. bei Pressekonferenzen) auf welche Weise vorbereitet und publiziert werden.
Der abgefasste Petitionstext wird weder den in der Begründung angesprochenen Problemen tatsächlich gerecht, noch haben wir es hier mit einer gewerkschaftlichen Position zu tun (und wohl auch nicht mit einer politisch gesehen linken Position, wenngleich es Autor/inn/en gegeben haben mag, die dies vielleicht angestrebt haben könnten). Die Arbeitsmarktstatistiken der BA sind trotz einiger Mängel bei der Veröffentlichung wesentlich besser als die Datenlage des Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes oder die Gemengelage bei den Kommunen.

Mit freundlichen und kollegialen Grüßen - Bernhard Jirku


Bernhard Jirku
Tel.: 030 - 6956 - 1413, - 2001; Fax.: 030 - 6956 - 3211
Postanschrift: ver.di-Bundesverwaltung, Ressort 11, 10112 Berlin
erwerbslose@verdi.de - www.verdi-erwerbslosenberatung.de -
www.verdi-1euro-jobberatung.de -
http://erwerbslose.verdi.de -
www.verdi.de/ver.di_vor_ort_-_wir_sind_fuer_sie_da - www.darum-verdi.de
Armut trotz Arbeit ? - www.mindestlohn.de - Kein Lohn unter 7,50 EUR /
Std. ! - www.blog.mindestlohn.de


Petitionstext:
Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass das statistische Bundesamt die offizielle Zahl der Arbeitslosen in Deutschland veröffentlicht.
Als Arbeitslosenzahl soll gelten: Die Summe aller im gesamten Berichtszeitraum arbeitslosen bzw. arbeitsuchenden Menschen, die Leistungsbezieher nach dem SGB III (ALG I), nach dem SGB II (ALG II), arbeitsuchend mit oder ohne Leistungsbezug sind oder sich in einer Arbeitsgelegenheit, einer Fortbildungs- oder sonstigen arbeitsmarktpolitischen Maßnahme befinden.

Begründung:
Um bei Bundestagswahlen zu entscheiden, welche Partei er wählt, braucht der Bürger verlässliche Informationen über die Erfolge bzw. Nicht-Erfolge der an der Regierung beteiligten Parteien. Für eine große Mehrheit der Bürger ist es von herausragender Bedeutung, inwieweit die Regierung das Problem der Massenarbeitslosigkeit meistert. Zur Zeit werden die monatlichen Arbeitslosenzahlen in der BRD durch die Bundesagentur für Arbeit bzw. das Ministerium für Arbeit und Soziales veröffentlicht. Da auch die Leistung dieser Stellen an der Höhe der Arbeitslosenquote gemessen wird, ist es nur allzu menschlich und verständlich, dass sie die Zahlen möglichst vorteilhaft darstellen. Dadurch kann es für den Bürger schwierig sein, anhand der veröffentlichten Zahlen seine Wahlentscheidung sachkundig an diesem wichtigen Bereich zu orientieren. Beispielsweise werden Personen, die an Maßnahmen teilnehmen und per Gesetz dazu verpflichtet sind, beim Angebot eines Arbeitsplatzes auf dem ersten Arbeitsmarkt die Maßnahme unverzüglich abzubrechen, dennoch in der derzeitigen Statistik nicht als Arbeitslose geführt. Der Bundestag lege daher per Gesetz fest, dass die monatlichen Zahlen über den Stand der Arbeitslosigkeit in Deutschland nicht mehr von der Bundesagentur oder dem Ministerium für Arbeit und Soziales veröffentlicht werden, sondern durch die neutralere Instanz des statistischen Bundesamts. Dabei sollen die Zahlen wie folgt aufgeschlüsselt werden: I. Im gesamten Berichtszeitraum arbeitslose bzw. arbeitssuchende Leistungsbezieher: - Gesamtzahl der Leistungsbezieher in der Bundesrepublik, dann aufgeschlüsselt nach: a) Anzahl der Leistungsbezieher nach dem SGB III (ALG I) b) Anzahl der Leistungsbezieher nach dem SGB II (ALG II) - Gesamtzahl der als arbeitssuchend gemeldeten Personen, kann aufgeschlüsselt werden nach: c) Arbeitssuchende mit Leistungsbezug d) Arbeitssuchende ohne Leistungsbezug - Personen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen können aufgeschlüsselt werden nach: e) Anzahl der Personen in einer AGH (1 Euro -Job) f) Personen in einer Fortbildungsmaßnahme g) Personen in sonstigen Maßnahmen h) Personen mit SGB II Bezug die einer Erwerbstätigkeit nachgehen (Aufstocker) Die Summe der Personen unter I. a), b) und d), abzüglich h), soll als offizielle Gesamtzahl der Arbeitslosen im Berichtszeitraum gelten und durch das statistische Bundesamt veröffentlicht werden. II. Weitere im Rahmen der Sozialgesetzbücher berücksichtigte Personengruppen: - Gesamtzahl derer, die im Berichtszeitraum arbeitssuchend gemeldet waren und eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufgenommen haben, aufgeschlüsselt nach: a) durch die Bundesagentur/ARGE in Arbeit vermittelt, b) ohne die Vermittlung durch die Bundesagentur/ARGE den Weg in den ersten Arbeitsmarkt gefunden. - Gesamtzahl der Kinder unter 15 Jahren in der Bundesrepublik, die vom Sozialgeld leben. Diese weiteren Angaben unter II. und weiter aufgeschlüsselte Informationen unter I. stehen immer zur Veröffentlichung frei.



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