[Gegen-Armut-2007] in Darmstadt

Frankfurter Rundschau v. 04.04.2007

Arbeitslose demonstrieren vor SPD-Büro gegen Hartz IV
Gewerkschafts-Initiativen sehen Bundesregierung und Kommunen in der Pflicht / "Kinder können sich nicht mal Schulsachen leisten"

Die gewerkschaftliche Arbeitsloseninitiative Darmstadt (Galida) und der Verdi-Erwerbslosenausschuss Südhessen haben sich an der Protestaktion "Reiches Land – arme Kinder" beteiligt. Von der SPD als Regierungspartei fordern sie eine Erhöhung der Regelsätze um 20 Prozent.

Darmstadt · Die runden, rot-weißen Aufkleber sind "Einfahrt verboten"-Verkehrsschildern nachempfunden. Im Innenkreis steht: "Stop! Große Koalition! Von 345 Euro kann kein Mensch vernünftig leben!" Vier solcher Sticker haben Mitglieder der Gewerkschafts-Initiativen am Dienstagmorgen an die gläsernen Eingangstüren der Darmstädter SPD-Geschäftsstelle in der Bad Nauheimer Straße geklebt. Andere der insgesamt acht Protestler hielten ein Transparent in die Höhe mit dem Schriftzug: "Wer bei den Arbeitslosen kürzt, drückt auch die Löhne." Grund für die nicht angemeldete Demonstration bei den Darmstädter Sozialdemokraten war ein bundesweiter Aktionstag der gewerkschaftlichen Arbeitsloseninitiativen. Nach den Hartz-IV-Regelleistungen stehen Erwachsenen monatlich 345 Euro Arbeitslosengeld II zu; haben sie ein Kind unter 14 Jahren, erhalten sie zusätzlich 207 Euro.

0,0 Euro für Schulbedarf

Nach Darstellung des Fördervereins "Gewerkschaftliche Arbeitslosenarbeit Berlin" sind davon rund 76 Euro für Essen und Trinken, 4,40 Euro für Schuhe und nur 0,76 Euro für Spielzeug vorgesehen. Größter Skandal aber ist für die Gewerkschaftsinitiativen, dass kein einziger Euro für den Kauf von Schulsachen bestimmt ist.

"Es reicht hinten und vorne nicht", sagt Frank Gerfelder-Jung, einer der Demonstanten. Der arbeitslose Offset-Drucker hat seinen neunjährigen Sohn Marlon mit zur Protest-Aktion genommen. Zwar seien von den Regelsätzen 1,63 Euro für "Schreibwaren im Allgemeinen" vorgesehen. "So viel kosten aber schon die Tintenpatronen für den Füller", sagt Gerfelder-Jung. "Aber was ist, wenn ein Zirkel, ein Mäppchen oder ein neuer Schulranzen gebraucht werden?"
Die 207 Euro für Kinder hätten die Gesetzgeber bereits 2003 festgelegt. Dieser Satz sei bisher noch um keinen Cent erhöht worden und würde mindestens bis 2009 weiter gelten. "Dabei ist das Leben zwischenzeitlich teurer geworden, siehe Mehrwertsteuererhöhung", kritisieren die Initiativen in einer Erklärung . Hartz IV mache arm, raube Kindern ihre Chancen in der Schule und damit auch ihre Zukunft.
Die Initiativen fordern eine Erhöhung der Regelsätze um 20 Prozent für Erwachsene auf 420 Euro und für Kinder auf 252 Euro. Nicht nur die Berliner Regierung, die für Hartz IV verantwortlich ist, sondern auch die Kommunalpolitiker, die für die Umsetzung auf lokaler Ebene zuständig sind, müssten in die Pflicht genommen werden.
"Wenn Kinder wachstumsbedingt größere Kleidungsstücke und Schuhe brauchen, dann muss das in unserer Kommune als Erstausstattung gelten und eine Beihilfe gewährt werden", heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Initiative. Alternativ dazu ließe sich ein Hilfs-Fonds für Schulbedarf einrichten.

Frank Schuster


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